Schlagworte wie die Time Under Tension (TUT) im Zusammenhang mit der Wiederholungsdauer (Kadenz) werden schon seit Jahren als kritischer Faktor für den Muskelaufbau diskutiert. Aus dieser Diskussion entwickelte sich die Empfehlung, eher langsam zu trainieren. Schaut man sich die Quellen vieler Artikel zu diesem Thema an, fällt aber schnell auf: Sie sind uralt. Heute möchte ich daher die Debatte über die Frage schnelle oder langsame Wiederholungen für Muskelaufbau mit aktuellen Erkenntnissen aus Wissenschaft und Praxis ultimativ beantworten.
Du erfährst also, ob langsame Wiederholungen wirklich optimal für den Muskelaufbau sind und wie wichtig die sogenannte Kadenz und Time Under Tension sind.
Außerdem erfährst du:
- Trainingsgeschwindigkeit ist Finetuning
- Was ist die Wiederholungsdauer (Kadenz)
- Typen der Muskelkontraktionen
- Exzentrisches Training und Muskelaufbau
- Time under Tension (TUT) & Muskelaufbau
- Was wirklich zählt: Gesamtimpuls (Kraft x Zeit)
- Langsames vs. schnelles Training: Das sagt die Wissenschaft
- Fazit: Die ideale Trainingsgeschwindigkeit
Trainingsgeschwindigkeit? Das ist Finetuning!
Gleich vorab: Es gibt wichtigere Faktoren für den Erfolg beim Muskelaufbau als die Trainingsgeschwindigkeit.
Eric Helms setzt das Trainingstempo sogar an die Spitze seiner Trainingspyramide (Amazon) und degradiert sie somit zur unwichtigsten Variable im Bodybuilding.
Fakt ist: Wie schnell oder langsam du eine Wiederholung ausführst, ist Finetuning.
Wichtiger sind z. B. die optimale Trainingsfrequenz sowie Progressive Overload (Progression).
Anders gesagt: Das perfekte Trainingstempo zu finden wird kein schlechtes Trainingsprogramm oder falsche Ernährung aufwiegen können.
Aber du willst bestimmt einfach ALLES aus deinem Training herausholen, hab ich recht?
Dann klären wir also ein für alle Mal, was die optimale Kadenz für maximalen Muskelaufbau ist, und ob die Time under Tension wirklich so wichtig für den Muskelaufbau ist.
Die Ergebnisse werden dich überraschen … Falls du’s eilig hast: Hier geht’s direkt zur Antwort.
Trainingsgeschwindigkeit & Wiederholungsdauer (Kadenz)
Die Wiederholungsdauer bzw. Kadenz bezieht sich auf die Zeit, die für eine Wiederholung benötigt wird [1].
Sie wird typischerweise mit vier Zahlen angegeben. Zum Beispiel 2:1:2:1.
Jede Zahl gibt dabei in Sekunden an, wie du eine Wiederholung ausführen sollst. In diesem Beispiel würdest du z. B. beim Bankdrücken 2 Sekunden nach oben drücken, 1 Sekunde halten, 2 Sekunden absenken und wieder 1 Sekunde halten.
Die Kadenz 2:1:2:1 gibt also an, wie lange die konzentrische, isometrische und exzentrische Bewegung dauern soll.
Du weißt nicht, wovon ich rede? Dann lies jetzt einfach weiter. Wenn du Profi bist, kannst du die Ausführung über die Typen der Muskelkontraktionen auch überspringen.
Typen der Muskelkontraktion
Eine der häufigsten Behauptungen, wenn es um die Trainingsgeschwindigkeit geht, lautet, dass der exzentrische Teil einer Wiederholung langsamer ausgeführt werden sollte als der konzentrische.
Dies sind im Training meist – aber nicht immer – die Bewegungen, in denen das Gewicht abgesenkt wird.
In der konzentrischen Phase einer Bewegung dagegen musst du aktiv gegen ein Gewicht ankämpfen und seine Trägheit überwinden.
In der exzentrischen Phase musst du also weniger Kraft aufwenden, denn
- die exzentrische Phase ist nicht im gleichen Ausmaß „aktiv“ wie die konzentrische und
- du musst das Gewicht lediglich absenken, nicht seine Trägheit überwinden.
Bedeutet im Umkehrschluss: Muskeln sind bei exzentrischen Kontraktionen stärker als bei isometrischen und konzentrischen [2].
Heißt das aber auch, dass du die exzentrische Bewegung langsamer ausführen solltest?
Exzentrisches Training und Muskelwachstum
Da du exzentrisch stärker bist, kannst du – wenn du rein exzentrisch trainierst – mit mehr Volumen trainieren.
Exzentrisches Training, also das wiederholte Durchführen exzentrischer Kontraktionen, ist also logisch betrachtet effektiv, weil du mit höherem Gewicht trainieren kannst, dadurch mehr Spannung erzeugst und folglich potenziell mehr Muskeln aufbaust [3].
Auch viele Studien zeigen, dass exzentrisches Training effektiv ist, um Muskeln aufzubauen.
Aber: Effektiv bedeutet nicht besser!
Tatsächlich wurde in einer Metaanalyse gezeigt, dass reine exzentrische Muskelaktionen im Vergleich zu rein konzentrischen Aktionen nicht zu signifikant erhöhtem Muskelwachstum führen [4].
Exzentrisches Training ist also in der Praxis nicht effektiver als konzentrisches Training.
Es ist jedoch wichtig, beide Arten der Kontraktion in ein Trainingsprogramm aufzunehmen, das auf Muskelaufbau abzielt.
Sowohl exzentrische als auch konzentrische Muskelkontraktionen sind sehr wirksam, um Muskeln aufzubauen.
Solltest du exzentrische Bewegungen langsamer ausführen als konzentrische?
Aus dieser Überlegung heraus erscheint es zunächst sinnvoll, die exzentrische Bewegung zu betonen. Zum Beispiel, indem wir das Gewicht in der exzentrischen Phase langsamer absenken.
Typischerweise wird empfohlen, zum Beispiel nach dem Muster 1:0:2:0 zu trainieren. Das heißt 1 Sekunde konzentrisch, keine Pause, 2 Sekunden exzentrisch, keine Pause. Auch 4:0:2:0 wird gerne empfohlen.
Der Grundgedanken ist hierbei, dass man durch die Betonung der exzentrischen Phase mehr Muskelwachstum erzeugen kann als es bei einem Trainingsmuster von 1:0:1:0 bzw. 2:0:2:0 der Fall wäre.
Achtung, das ist ein TrugschlussDenn wir können im Fitnessstudio das Gewicht nicht so manipulieren, dass die exzentrische Phase stärker belastet wird.
Stattdessen trainieren wir in einem Satz immer mit einem konstanten Gewicht.
Wir nehmen also ein Gewicht, das wir in der konzentrischen Phase bewegen können – und dieses Gewicht ist in der exzentrischen Phase „zu leicht“, bzw. leichter als es sein müsste, m effektiv zu sein.
Genauer betrachtet hat das gezielt langsame Ausführen der exzentrischen Phase keinen Nutzen, denn:
- Der Sinn des exzentrischen Trainings ist es, schwerer trainieren zu können
- Wir wählen das Gewicht aber meist so, dass wir es konzentrisch bewegen können, weil
- wir nicht zwei verschiedene Gewicht für exzentrische und konzentrische Bewegung wählen können.
- Dadurch ist das Gewicht nicht schwer genug ist, um lange exzentrische Bewegungen vorteilhaft für das Muskelwachstum zu machen
Es ergibt also aus dieser Sicht keinen Sinn, die exzentrische Phase bei einem normalen Training mit aufeinanderfolgender konzentrischer und exzentrischer Kontraktion absichtlich zu verlängern, da das Gewicht nicht schwer genug ist, um wirklich vorteilhaft zu sein.
Bedeutung der Time Under Tension für den Muskelaufbau
Es ist also nicht vorteilhaft, die exzentrische Phase langsamer auszuführen, da das Gewicht nicht schwer genug ist, um vorteilhaft für den Muskelaufbau zu sein.
Es gibt jedoch noch einen weiteren Grund, weshalb empfohlen wird, die Trainingsgeschwindigkeit für das Muskelwachstum zu reduzieren: die sogenannte Time Under Tension (TUT), zu Deutsch Zeit unter Spannung.
Um die TUT möglichst hochzuhalten wird ebenfalls empfohlen, die Trainingsgeschwindigkeit herunterzuschrauben, auch wenn das bedeutet, mit einem niedrigeren Gewicht zu trainieren.
Hmm … Wie sinnvoll ist das wirklich?
Time Under Tension: Was ist wichtiger, Time oder Tension?
Kurz gesagt: Die TUT allein hat keine Bedeutung für den Muskelaufbau, solange die Spannung selbst nur klein ist.
Das bedeutet, die Intensität zusammen mit der TUT ist ausschlaggebend für einen Trainingsreiz, der zu Muskelaufbau führt.
Das Ausmaß der Spannung muss ebenfalls hoch sein, wie bei einem sehr anstrengenden Satz im Training mit hohem Gewicht, denn je mehr Kraft erzeugt wird, desto höher ist die Spannung.
Um also eine Aussage darüber treffen zu können, ob die Trainingsgeschwindigkeit für den Muskelaufbau wichtig ist, müssen wir das Ausmaß der Spannung berücksichtigen – nicht nur die Zeit, über die wir sie aufrechterhalten.
Ich bin mir sicher, dass das Beispiel mit dem Marathonläufer bereits einleuchtet.
Wir können uns der Ausgangsfrage bezüglich der Bedeutung der TUT auf den Muskelaufbau aber auch evidenzbasiert statt durch logisches Denken nähern.
Mohamad, Kronin und Nosaka (2012) verglichen zwei Gruppen, die zwar das gleiche Volumen an Kniebeugen durchgeführt haben, jedoch mit unterschiedlicher Intensität:
Gruppe A machte 3 Sätze mit je 12 Wiederholungen bei 70 % ihres 1RM. Gruppe B machte 6 Sätze zu je 12 Wiederholungen mit 35 % ihres 1RM, um dem Volumen der ersten Gruppe zu entsprechen.
Die gesamte TUT war in Gruppe B am Ende deutlich höher, denn sie machten 72 Wiederholungen, während die andere Gruppe nur 36 Wiederholungen machte.
Wäre jetzt die TUT allein die entscheidende Größe für das Muskelwachstum, müsste Gruppe B den besseren Wachstumsreiz setzen.
Dies war jedoch nicht der Fall. Daraus lässt sich Folgendes ableiten.
Weshalb der Gesamtimpuls (Kraft × Zeit) wichtiger ist als die TUT (Zeit)
Wichtiger als die Time Under Tension ist der Gesamtimpuls. Dieser wird wie folgt berechnet.
Erinnere dich an obiges Beispiel. Der Gesamtimpuls war bei der 70 % 1RM-Gruppe um 25 % höher, obwohl die TUT in Gruppe B doppelt so hoch war.
Wenn für dich also ausschließlich optimaler Muskelaufbau interessant ist, ergibt es keinen Sinn, das Gewicht zu reduzieren, nur damit du eine höhere TUT erreichen kannst.
Falls dir also z. B. geraten wurde, die exzentrische Phase auf 4 Sekunden zu verlängern, solltest du dies nochmal überdenken, denn diese lange exzentrische Phase geht zulasten des Gewichts, das du bewegen kannst.
Als unmittelbare Folge sinkt unter Umständen der Gesamtimpuls, wodurch der Trainingsreiz im Endeffekt schlechter wird.
Schnelle Wiederholungen effektiver für Kraft- & Muskelaufbau
Noch nicht überzeugt?
OK, vielleicht überzeugen dich die vielen Studien, die ich zu diesem Thema gefunden habe.
Ich habe nur eine einzige Studie gefunden habe, bei der sehr langsames Training zu mehr Muskelwachstum als traditionelles Training geführt hat [5].
Die meisten Studien kommen jedoch zu dem Schluss, dass das traditionelle Training mit normaler Geschwindigkeit zu überlegenen Resultaten im Vergleich zu geringerer Geschwindigkeit führt [6] [7] [8] [9].
Ich zitiere:
Results indicate that hypertrophic outcomes are similar when training with repetition durations ranging from 0.5 to 8 seconds.
Schoenfeld et al., 2015
Was schließlich die Kraftentwicklung anbelangt, so fand eine Studie heraus, dass ein explosives Training (konzentrische Phase) zu fast doppelt so hohen Kraftzuwächsen führte, als wenn der konzentrische Teil absichtlich mit halber Geschwindigkeit ausgeführt wurde (Gonzalez-Badillo et al., 2014).
Es ist also eindeutig keine gute Idee, mit einer Kadenz von 4:1:4:1 zu trainieren.
Fazit: Ideale Wiederholungsdauer für maximalen Muskelaufbau
Wie bereits eingangs erwähnt ist die Trainingsgeschwindigkeit Finetuning.
Ob du schnelle oder langsame Wiederholungen ausführst ist am Ende gar nicht entscheidend, solange du nicht zu langsam trainierst.
Studien zeigen, dass das Muskelwachstum bei Wiederholungen von einer Dauer zwischen 0,5 Sekunden und 8 Sekunden vergleichbar ist [11].
Die Botschaft für dich ist also: nicht den Kopf zerbrechen.
Wichtig ist in Bezug auf die Trainingsgeschwindigkeit nur, dass du das Gewicht kontrolliert absenkst und explosiv wegdrückst. Du solltest darauf achten, dass der exzentrische Teil der Wiederholung wirklich eine MuskelAKTION ist.
Lass nicht die Schwerkraft die ganze Arbeit übernehmen.
Mach es dir aber auch nicht unnötig kompliziert und konzentriere dich stattdessen auf die wirklich wichtigen Variablen: Beständigkeit, Volumen, Intensität, Frequenz und Progression.
Ausnahme: Du bist Anfänger und lernst gerade noch die richtige Übungsausführung. Dann nimm dir alle Zeit der Welt.
Welche Kadenz ist optimal für Muskelaufbau & Kraftaufbau?
Optimal ist nach der aktuellen wissenschaftlichen Evidenz zusammenfassend daher eine Wiederholungsdauer von zwischen 0,5 und 8 Sekunden. Für maximalen Muskelaufbau empfiehlt sich eine Kadenz von 1:0:1:0 oder 2:0:2:0, für maximalen Kraftaufbau eine Kadenz von X:0:1:0 oder X:0:2:0, wobei das X für eine explosive konzentrische Aktion steht.
Wie immer solltest du dich aber nicht ausschließlich an solchen Schemata festhalten, sondern auch auf dein Gefühl hören und einfach mit Leidenschaft trainieren. Schlussendlich muss das Training Spaß machen, und wir alle sind unterschiedlich. Zum Glück kannst du aber mit sehr verschiedenen Trainingstempi Muskeln aufbauen!